Bildungswende in Bergedorf?

Hanno Plass

Am 1. November luden der Bezirksverband der Partei DIE LINKE und die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft zu einer Diskussion ins Veranstaltungszentrum SerrahnEINS in Bergedorf ein, um darüber zu diskutieren, was für die dringend nötige schulpolitische Bildungswende vor Ort nötig sei. Insgesamt nahmen zwanzig Interessierte an der Veranstaltung teil, die Christin Feiler, Mitglied des Bezirksvorstandes, moderierte.

Am 1. November luden der Bezirksverband der Partei DIE LINKE und die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft zu einer Diskussion ins Veranstaltungszentrum SerrahnEINS in Bergedorf ein, um darüber zu diskutieren, was für die dringend nötige schulpolitische Bildungswende vor Ort nötig sei. Insgesamt nahmen zwanzig Interessierte an der Veranstaltung teil, die Christin Feiler, Mitglied des Bezirksvorstandes, moderierte.
Bildungspolitische Themen haben in Bergedorf eine hohe Relevanz, weil die aktuelle Schulentwicklungsplanung hinter den realen Anforderungen zurückbleibt bzw. schlecht kommuniziert und umgesetzt wird, wie Robert Gruber von der Linksfraktion Bergedorf einführte.
Für große Diskussion sorgte der Kauf des sogenannten Dello-Areals, Sander Damm 5, das für 9,5 Millionen Euro von der Stadt just zurückgekauft wurde. Zündstoff in der Diskussion bot nicht nur die Summe, die für das Grundstück aufgebracht wurde, sondern auch das widersprüchliche Vorgehen der Schulbehörde. Denn bevor der neue Schulentwicklungsplan 2019, unter schweren Geburtswehen, überhaupt das Licht der Welt erblickte, hatte der Schulsenator vollmundig verkündet, das Gelände käme für den Schulbau nicht in Betracht, weshalb ein Kauf damals, noch zu einem weitaus geringeren Preis, gar nicht erst erwogen wurde. Nun, vier Jahre später, vollzog er plötzlich eine sauteure Kehrtwende und schuf Fakten, ohne Einwände und Alternativen vor Ort sorg­ fältig zu prüfen.
Aus dem Publikum kam der Einwand, es wäre in Ber­gedorf auch ohne den Grundstückskauf am Sander Damm durchaus möglich gewesen, die schulischen Kapazitäten den Erfordernissen anzupassen und Grundschulplätze z.B. durch die Konzeptionierung einer Langform-Stadtteilschule (mit den Klassen 1 bis 13) zu schaffen.

Die Planungen der Schulbehörde samt Kauf des Geländes zeigten konkret, wie sehr eine regionale Schulentwicklungsplanung unter Einbezug der bildungspolitischen Akteur*innen vor Ort nottäte und Sinn machte , bemerkte Sabine Boeddinghaus.
Neben diesem pressebekannten Aspekt des „Dello-Areals“ wurde bemängelt, dass in das Gebäude der geschlossenen Förderschule ein nur 3,5-zügiges Gymnasium käme, während die Stadtteilschulen im Bezirk übervoll seien. Allein die Kosten, es kursierte die Summe von 27 Millionen Euro, für die Baumaßnahmen am neuen Gymnasium zeigten diese Fehlplanung. Denn erstens sei die Schulform per se ein Problem, und zweitens verschlinge ein so kleines Gymnasium verhältnismäßig mehr Ressourcen als größere Schulen. Erschwerend komme hinzu, dass das kleine Gymnasium schon 2026, die neue geplante Stadtteilschule bei weitaus akuterem Bedarf aber erst 2027 fertiggestellt werden soll.
Die Behauptung der Schulbehörde, so die Kritik aus dem Publikum, mensch habe es mit zwei gleichwertigen Säulen im Schulsystem zu tun - Gymnasium und Stadtteilschule (STS) sei angesichts der Aufgabenfülle an den STS und dem um eine Vielzahl von pädagogischen und sozialen Aufgaben „bereinigten“ Gymnasium ein Hohn. Sabine Boeddinghaus unterstrich die Forderung der Linksfraktion, die Gymnasien voll­ umfänglich an den Aufgaben von Integration und Inklusion zu beteiligen. Denn sie wisse, dass es auch an den Gymnasien ein aufkeimendes Verständnis für die Notwendigkeit der Beteiligung an den Aufgaben des Schulwesens gebe - und das Abschulen zu untersagen. Gymnasien seien aufgefordert, an der Lösung der Aufgaben in der Bildung teilzunehmen.

Vor diesem Hintergrund gab es auch eine Verständigung darüber, dass zukünftig zu bauende weiterführende Schulen allesamt Stadtteilschulen sein müssten, weil sie integrierend und nicht segregierend konzeptioniert sind und ent­ sprechend pädagogisch arbeiten.
In der weiteren Diskussion wurde als Teil des augenblicklichen Problems der Überforderung vieler Schulen die mangelhafte Reform der Lehrer*innenausbildung identifiziert das Grundschullehramt wurde vom Lehramt für die Mittel­ stufe abgetrennt, dort fehlen dadurch jetzt viele Qualifikationen - und für ein grundständiges einheitliches Lehramt von Klasse 1 bis 13 mit einem pädagogischen Kern und inhaltlichen Ausformungen plädiert.
Denn pädagogische Aufgaben seien mehr als eine Vermittlung von Fachwissen. Das sahen die Bergedorfer*innen mit Blick auf die Schulen ihres Bezirks deutlich. Sie wussten zu berichten, dass die Lehrkräfte unter der hohen Belastung leiden und erkranken würden und nach wenigen Berufsjahren ausgebrannt seien. Der Tenor war, dass die bildungspolitische Beschränktheit der Schulbehörde und ihr ideologisches Festhalten am Zwei-Säulen-Modell der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers für die Gesundheit der Beschäftigten nicht entsprechen würde.
Es wurde auch angebracht, dass in der Debatte um »Eine Schule für alle« die Berufsschulen aus der Debatte herausfielen, obwohl diese eine sehr unterschiedliche Schüler*innenschaft hätten. Eine große Diversität der Klassen stellten an die Lehrkräfte die Anforderung, einen stark individualisierten und binnendifferenzierten Unterricht zu machen, dies sei seit Jahr und Tag gelebte Praxis.
Positiv wussten die Teilnehmer*innen zu berichten, dass an der Grundschule Allermöhe eine Gesundheitsfachkraft mit einer halben Stelle viel für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder bewirke und wegweisende Initiativen beginne. Doch leider sei ihre Stelle projektgebunden und befristet.
Kritisch angemerkt wurde, dass wenig gesprochen wurde über den Weg einer konkreten Bildungswende in Bergedorf. Dabei, so die Erwiderung, läge viel in systematischen Weichenstellungen auf Landesebene - wobei die bezirkliche Verankerung der Schulentwicklungsplanung in den Regionalen Bildungskonferenzen ein entscheidender Baustein für ein demokratisch und sinnvoll gestaltetes Schulwesen sei.
Sabine Boeddinghaus und Robert Gruber beschlossen den Abend, damit, dass sie betonten, wie wichtig für alle schulpolitischen Akteur*innen die gemeinsame und gleich­ berechtigte Kommunikation über die Lage und Perspektive der Bildung sei. Boeddinghaus kündigte für Juni 2024 einen Bildungsgipfel an, der eine solche Plattform bieten könne. Sie unterstrich, dass es eigentlich Aufgabe der Behörde für Schule und Berufsbildung sei, alle Schulen zusammenzubringen und alle Beteiligten für die Bildung der jungen Menschen in die Verantwortung zu nehmen.
 

Für Bild und Text bedanken wir uns bei

Dr. Hanno Plass
Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Sabine Boeddinghaus, MdHB, Die Linke
Bildung, Schule, Jugend, Familie
Burchardstr. 21
20095 Hamburg